Warnung: Sehr langer Blogeintrag. Ich hatte überlegt es in zwei Teile zu teilen, aber im Endeffekt ist es doch ein Event. Viel Spaß beim Lesen 🙂

Vorbereitungen

Jetzt war es also endlich soweit. Ich lerne Gleitschirmfliegen. Vor ein paar Jahren hatte ich das noch gar nicht auf dem Schirm, hatte eigentlich den PPL (Privatpiloten-Lizenz) in Planung. Nachdem sich das Fliegen von Kleinflugzeugen aber irgendwie mehr oder weniger „zum Spaß Sprit verbrennen“ ist, somit auch im Unterhalt teuer ist und zudem mit meinen anderen Hobbys nicht wirklich verbunden werden kann, ist der PPL irgendwann auch gedanklich ganz weit nach hinten gewandert. Melis Bruder fliegt schon seit ein paar Jahren mit dem Gleitschirm. Heißt er läuft Berge hoch und fliegt runter. Das passt doch auch viel besser zu mir.

Zeitsprung Oktober 2022: Ich bin mit dem Schirm auf Wanderschaft

Nachdem ich nicht ewig mit dem Schein brauchen wollte, habe ich mir im April eine Flugschule gesucht, wo ich das irgendwie in den Ferien machen kann. Geplant waren die drei Kursmodule

  • Grundkurs (4 Tage)
  • Höhenschulung (5 Tage)
  • Alpinschulung (6 Tage)

in den Pfingstferien, nur leider kam da mein kaputter Arm dazwischen und ich habe die Kurse auf die Sommerferien geschoben. Daher waren sie jetzt auch nicht mehr direkt aneinander, sondern getrennt in Kombikurs (Grund- & Höhenkurs = 9 Tage) und ein paar Wochen später Alpinschulung.

Die Leinen – auf den ersten Blick verwirrend

Es geht los – Grundkurs

Am 6. August gings dann endlich los. Ich hatte mir direkt Ausrüstung bei der Flugschule mitgekauft, weil der Kombipreis somit günstiger war. Vor Ort habe ich die ca. 10er Gruppe kennengelernt, mit denen ich die folgenden 9 Tage den ganzen Tag verbringen werde. Ich dachte wir machen erstmal ein bisschen Theorie, aber nein, es ging direkt an den Übungshang, denn die Theorie ist im Grundkurs nur sehr knapp gehalten.

Üben üben üben… – das mit dem weißen Schirm bin ich

Am ersten Tag hat es gerade mal einer von uns geschafft den Schirm ordentlich aufzuziehen (sodass er einigermaßen stabil über dem Kopf steht) und ein paar Meter zu fliegen. Das frustet am Anfang schon gewaltig. Man legt gefühlt ewig seinen Schirm aus, sortiert seine Leinen um dann einmal einen Aufziehversuch zu starten, der Schirm fällt direkt auf irgendeine Seite und man darf wieder von vorne anfangen. 15 Minuten Arbeit für 5 Sekunden Versuch. Und das ungefähr anderthalb Tage lang. Dann hat es bei immer mehr geklappt und auch ich bin irgendwann meine ersten Meter geflogen. Cool, aber wirklich genießen kann man das natürlich noch nicht, ist eher ein „oh oh und wie kontrolliere ich das jetzt?! Oooh die Straße kommt näher…“. So ging das dann die ersten vier Tage im Grundkurs. Nachmittags war es meistens zu windig, heißt wir sind in die Flugschule und haben Theorie gemacht.

Erstmal mit dem Schirm laufen, ein Gefühl bekommen.

Erster richtiger Alleinflug – Höhenschulung

Nach den vier Tagen konnten wir dann einigermaßen Aufziehen und waren nicht mehr „überrascht“ wenn der Schirm uns plötzlich getragen hat. An Tag 5 trafen wir uns vor Sonnenaufgang um 5:30 Uhr am Ratholz (gegenüber der Alpsee Bergwelt) um dort unsere ersten Höhenflüge (> 100 m Höhendifferenz) zu machen. Leider hat der Wind nicht mitgespielt und wir standen oben und hatten Rückenwind… er wollte einfach nicht drehen. Also um ca. 8 Uhr nach gut zwei Stunden warten zu einem anderen Spot gefahren. Dort war dann guter Wind und wir konnten endlich fliegen. Obwohl der erste Flug schon ca. 2-3 Minuten gedauert hat, kam es mir vor wie Sekunden. Bis dahin sind wir alle nie wirklich Kurven geflogen. Jetzt hängen wir allein am Schirm, nur mit dem Funkgerät mit den Fluglehrern verbunden und müssen selbst das Gefühl bekommen. Wir waren angefixt und es hat bei allen (die noch dabei waren) gut geklappt.

der Erste von unser Gruppe fliegt!
So sah das von unten aus

Am nächsten Tag ging es zum Buchenberg (bei Halblech), dieses Mal kein „Übungshang“ oder „nur für Flugschulen“ mehr, sondern ein ganz normaler Hang, wo auch bereits ausgebildete Flieger starten. Dafür eine Premium Startbahn, guter Wind und große Landewiese. Das war auch mein erstes Mal seit langem, dass ich mal wieder mit einem Lift auf den Berg bin, aber laufen hätte einfach zu viel Zeit gekostet, schließlich bin ich hier zu Ausbildung und nicht zum Wandern. Mein dritter Flug war schon etwas thermisch, ich war deutlich länger in der Luft, als die zwei Flüge davor, weshalb unsere Fluglehrer den Tag dann auch für beendet erklärt haben. Einmal bedeutet Thermik immer auch unruhige Luft mit Turbulenzen, was für Fluganfänger nicht so toll ist, des Weiteren müssen die Abstände zwischen den Flugschülern sehr groß sein, damit sich die Fluglehrer auch auf uns konzentrieren können. Noch klappt das mit der Landeeinteilung nicht selbstständig, von meinen drei Landungen bin ich auch nur, naja, 1,5-Mal wirklich auf der Landewiese gelandet. Einmal war die Landung noch drauf, aber das Auslaufen dann drüber hinaus. Wer weiß, wo wir ohne Anleitung durch den am Landeplatz stehenden Fluglehrer gelandet wären…

Ein Start von mir am Buchenberg

Die meisten Starts wurden gefilmt, um sie später analyisieren zu können. Hier mal ein Beispiel (sorry für die Musik, die Anweisungen der Fluglehrer dürfen wir nicht veröffentlichen):

„Para-Waiting“ am Buchenberg – vielleicht dreht der Wind ja…

Nachdem das Wetter die letzten Tage nicht so super mitgespielt hat, wurde es immer schwieriger, dass wir genug Flüge haben, um nach anschließender Alpinschulung wirklich die Prüfung machen zu dürfen. Zum Glück hat das Wetter am Samstag und Sonntag mitgespielt und wir konnten an beiden Tagen noch viele Flüge in Ratholz (da wo es vor ein paar Tagen nicht geklappt hat) sammeln.

Ratholz am frühen Morgen
Ratholz: Startvorbereitungen
Ratholz: Fliegen im Sonnenaufgang

Nicht immer geht der Start gut:

Wir flogen von Sonnenaufgang bis es mittags zu thermisch wurde. Nach bestandener Theorieprüfung am Samstagnachmittag stand der Alpinschulung nichts mehr im Wege.

Theorie…

Landung in Ratholz:

Manöver lernen und fliegen – Alpinschulung

Die meisten anderen vom Grund- und Höhenkurs haben direkt weiter gemacht und die Alpinschulung im Allgäu gemacht. Zum Zeitpunkt, wo ich den Kurs von Pfingsten auf Sommer verschoben habe, war da aber kein Platz mehr und jetzt habe ich keine Zeit mehr. Daher habe ich den Alpinkurs Anfang September in Südtirol (Rio di Pusteria, zwischen Brixen und Bruneck) gemacht. Eigentlich hatte ich gedacht, dass man dann mehrere Spots in Südtirol kennenlernt, wie das hier im Allgäu war. Dem war nicht so. Ca. 300m vom Hotel entfernt war der Landeplatz und wir sind immer mit dem Flugschulbus zum ca. 500 hm höher gelegenen Startplatz (Rodeneck) gefahren worden. Es hießt also Flüge sammeln und Manöver lernen, die Theorie haben wir ja schon komplett erledigt. An den ersten zwei Tagen (Montag, Dienstag) haben wir alle auch 6-8 Flüge geschafft.

Vorbereitungen am Startplatz Rodeneck
Betrieb in der Luft – umso selbstständiger wir fliegen können, umso mehr können gleichzeitig in der Luft sein
Startplatz Rodeneck
hier habe ich es auch mal geschafft mein erstes Gleitschirm-Selfie zu machen – mit Herzklopfen, dass mir mein Handy nicht runter fällt…

Verletzungen

Schon im Höhenkurs sind zwei Teilnehmer dazu gestoßen, weil sie sich in ihrem eigentlich geplanten Kurs das Sprunggelenk gebrochen oder Außenbänder gerissen haben. Das hat einem schon wieder bewusst gemacht, dass besonders das Landen nicht ganz ohne ist. Gerade die ersten Schritte beim Landen sind als Anfänger öfter mal recht, naja, ruppig / grob. Das habe ich am Dienstag im Alpinkurs auch zu spüren bekommen. Nachdem wir mit dem Schulbus zum Startplatz fahren, sind unsere Muskeln natürlich nicht aufgewärmt. Bei meiner zweiten Landung bin ich dann etwas kräftiger gelandet und es hat im rechten Oberschenkel schon kräftig gezerrt. Autsch. Naja, ging aber, dass ich weiter machen konnte. Blöderweise bei der vierten Landung nochmal mit dem rechten Bein zuerst gelandet. Diesmal hat es richtig weh getan. Da war er der Muskelfaserriss. Ich habe kurz Pause gemacht. Nach einer halben Stunde doch beschlossen weiterzumachen und besonders vorsichtig zu landen und mit dem linken Bein zuerst auftreten. Hat einigermaßen geklappt. Den Faserriss spüre ich übrigens jetzt, 6 Wochen später, immer noch, wenn mir das Polster vom Beinbeuger (Leg Curl) im Fitness drauf drückt.

Groundhandling

Am Mittwochabend haben wir noch Groundhandling gemacht, also mit dem Schirm am Landeplatz im Wind die Beherrschung am Boden geübt. Als ich mich auf der Stelle gedreht habe (Rückwärtsaufziehen), bin ich natürlich in ein Loch getreten und kräftig umgeknickt. Vom Schmerz eigentlich ein „normales“ Umknicken, wie es mir in den Bergen auch manchmal passiert. Nur dieses Mal „humple“ ich auch fast 7 Wochen später immer noch jeden Morgen ins Badezimmer, bis sich der Fuß nach etwa 20 Schritten wieder eingekriegt hat… Ich werde wohl alt. Zum Glück nichts Wildes, was irgendwie einschränkt.

Ein Tag Pause tut auch gut 🙂

Praxisprüfung

Donnerstag war das Wetter sehr regnerisch, weshalb ich – auf aufgrund meines Fuß – verzichtet habe auf Biegen und Brechen jetzt noch zu fliegen. Ich hatte schon mehr Flüge als nötig und fühlte mich auch in den Manövern sicher genug. Freitag wäre ich wieder bereit gewesen und bin ich wieder mit zum Startplatz gefahren. Leider wollte der Wind einfach nicht drehen.

Mal wieder „Para-Waiting“

Somit war tatsächlich der Prüfungsflug am Samstag mein nächster Flug. Wir absolvierten drei Manöver (Ohren anlegen (Abstiegshilfe, falls man runter will/muss), Klapper (kann bei turbulenter Luft mal passieren, in der Prüfung wird er händisch gezogen) und die Leitlinien-Acht (zeigt, dass man Kurven ordentlich, pendelfrei und gleichmäßig fliegen kann) und natürlich die ordentliche Landeeinteilung.

Bevor wir Manöver das erste Mal geflogen sind wurden sie ausführlich im Simulator erklärt und erprobt.
Auch der Prüfungstag begann mit einer Wolke im Tal
Etwas später konnte aber einwandfrei geflogen werden.

Fast alle von uns haben beim ersten Versuch bestanden, zwei durften die Landung wiederholen, weil sie etwas außerhalb des markierten 30 x 30 m Feldes gelandet sind. Zwei haben leider nicht bestanden. Jetzt hieß es nur noch auf die Zustellung des „Luftfahrerschein für Luftsportgeräteführer“ warten, denn ohne den Schein darf man nicht fliegen.

 

Fazit

Gleitschirmschein in zwei Wochen. Das bedeutet, zumindest für Grund- und Höhenschulung, den ganzen Tag auf Achse. Treffen zum Sonnenaufgang, fliegen, fliegen, fliegen, Mittagspause, Therorieunterricht bis ca. 17 Uhr, zu Hause Theoriefragen lernen für die Prüfung. Hat sich aber definitiv gelohnt. Ich habe bei der Paragliding Academy in Oberstaufen den Kurs gemacht und bin mit der Wahl auch sehr zufrieden. Die Fluglehrer waren alle super nett und vor allem extrem bemüht, dass wir irgendwie fliegen können. Beim Alpinkurs sind sie immer wieder zum Startplatz gefahren um die Lage zu checken, ob es nicht doch geht und wenn auch nur der Hauch einer Chance bestanden hat, haben sie uns sofort zusammen getrommelt und ab gings. Bei dem fraglichen Wetter hätte man auch einfach sagen können „ihr habt ja genug Flüge, dann lassen wirs lieber“. Vielleicht geht es wo anders günstiger, bzw. geht es sicher günstiger, wenn man sich gebraucht Ausrüstung zulegt. Wenn man jemanden kennt, der schon Erfahrung hat, mag das Sinn machen, nachdem ich aber niemand im engen Freundeskreis habe der fliegt… Die Kosten für Ausrüstung, Ausbildung, Prüfungsgebühren lagen insgesamt bei etwa 7000€. Kein günstiges Hobby, dafür fallen bei der späteren Ausübung nur sehr geringe Kosten an (Landegebühr auf Landeplätzen liegt etwa zwischen 0 und 5€, außerhalb darf man in Deutschland nicht landen).

Für mich war die Wahl der Flugschule und überhaupt die Wahl des Hobbys definitiv die Richtige, ich habe jetzt diverse Wetter-Alarme und ich versuche es immer mit Wandertouren zu verbinden 😉

Zeitsprung Oktober 2022: Neunerköpfle im Tannheimer Tal ist ein Traum

Falls ihr noch weitere Fragen habt, könnt ihr gerne kommentieren oder mir bei Instagram schreiben 😊

PS: Wenn du wirklich bis hierhin alles gelesen hast, dann würde mich freuen wenn du mir schreibst oder einfach unter ein Random Instagram-Bild mit einem Paragliding-Emoji kommentierst 🪂

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