Entspannung schreibt man groß

Erstmal ausschlafen, gemütlich um halb 9 habe ich angefangen zu frühstücken und mich danach fertig zu machen. Das MTB hat nochmal eine schnelle Kettenkur bekommen, nachdem die beiden Räder den Regen außen am Bus natürlich voll mitbekommen haben. Kurz vor 10 gings dann gemütlich los. Zum zweiten Mal aufs Stilfser Joch.

Als ich meinem Physio von meinen Urlaubsplänen erzählt habe, hat er mich auf ein Video von GCN gebracht. Und genau daher kam auch die Idee für diese Runde.
Schöner geht’s nicht
Das Wetter war heute der beste Kontrast zu gestern, den es nur geben kann. Keine Wolke, strahlender Sonnenschein, Wärme. Trotzdem fallen die Temperaturen Nachts unter 10°C und ich nahm wieder die Trailrunningweste mit warmen Klamotten mit. Es ging anfangs noch ein paar kurze Stücke über die Passstraße, dann plötzlich ganz unauffällig bin ich links von der Straße in eine Lücke zwischen der Leitplanke abgebogen und habe die Straße bis zu den letzten zwei Kilometern nicht mehr wieder gesehen.


Schon der Anfang war daher super. Es ging durch den Wald, traumhaft zu fahren, teils aber schon recht steil bergauf. Ich traf zwei E-Biker, welche mich einholten. Er „gratulierte“ mir, dass ich hier ohne Motor hoch fahre ;D Ich frage, ob sie auch zum Stelvio hoch fahren. Er war verwundet. Sie fahren nur bis zum Lago di Cancano, er wüsste nicht, dass man hier auch auf den Stelvio kommt.

Die Beschreibung „The Secret Stelvio“ von GCN scheint zu stimmen. Mit jeder Kurve wurde es schöner. Ich musste ständig Fotopausen machen und kam aus dem Staunen nicht mehr raus.



Traumhaft schön. Bald hörte der Fahrweg auf und es wurde ein schmalerer Weg, welcher sich in Serpentinen den Hang hoch schlängelte. Lediglich eine Kehre konnte ich nicht fahren, alle anderen waren sogar bergauf fahrbar.



Oben die nächste Hochebene. Plötzlich alles grün. Bisher sind mir auf der Strecke drei Mountainbiker entgegengekommen. Sonst habe ich niemanden gesehen. Totale Einsamkeit. Nur ein Murmeltier und ich (und wahrscheinlich seine Kumpels, die ich nicht gesehen habe^^).


Dann die Hütte in der die GCN Leute Brotzeit bekommen haben. Wunderschön gelegen. Da musste ich natürlich auch Fotos machen. So gemütlich war ich schon lange nicht mehr unterwegs. So eine schöne Landschaft mit dem MTB erkundet habe ich aber auch noch nie.


Über die nächste Kuppe. Das Gelände wird schroffer. Die ersten 25km und 1900hm sind jetzt also geschafft. Es geht ein bisschen bergab und leicht hoch-runter am Hang entlang durch die Hochebene. Hier waren auch ein paar Schiebepassagen dabei. Manche Dinge wären wahrscheinlich fahrbar gewesen, aber so alleine und so weit oben gehe ich kein Risiko ein.

Nächste Bergkuppe. Große Überraschung: Man sah die Passhöhe vom Stilfser Joch. Und den schmalen Pfad, welcher zur Passhöhe des Umbrailpass führt. Oben noch zwei kleine Kehren schieben und dann war der komplette Weg zu 98% fahrbar, bzw. eher „rollbar“. Es ging durchgehend leicht bergab. Absoluter Hammer. In dieser Kulisse. Solche Bergs-Glücksmomente hatte ich dieses Jahr noch nie wirklich.



Auf dem Weg holte ich zwei andere Mountainbiker ein. Wir „unterhielten“ uns. Ihr englisch war eher – sagen wir „schwach“ und mein italienisch nicht vorhanden. Aber er erzählte mir, dass sie schon „dort hinten“ gefahren sind. Ich verstand nicht ganz. Er zeigte mir ein YouTube Video. Skippt die 5 Minuten mal durch. Das sind zwei krasse Typen. Wahnsinn.
Noch mehr Highlights
Jetzt war ich also wieder auf Teerstraße angekommen. Ich fuhr die 10 Kehren zur Passhöhe hoch. Also fast, denn die letzten Kehren bog ich auf die alte Straße ab. Die ist nur ein paar Meter von der neuen entfernt, aber eben keine Autos. Ich hörte das Pfeifen von Murmeltieren. Und nochmal. Also habe ich mal angehalten und direkt eines entdeckt. Und vermutlich sogar ein Erdmännchen.

Im Hintergrund die Passstraße mit lauter Autos, Motorrädern und Rennradlern. Alle keine Ahnung was sie hier eigentlich gerade verpassen. DAS sind die Momente, die ich so sehr zu schätzen weiß. Der Kontrast zu gestern hätte größer nicht sein können.

Schnell durch die Passhöhe durch und die obligatorischen Bilder machen.


„Da müsste es doch bestimmt noch irgendwo höher gehen oder?“ Ich suchte einen Weg höher. Und wurde fündig. Die Steigung jetzt war echter Endgegner. 31,5% sagt Garmin. Da war die Kraft irgendwann am Ende und ich musste zwischendurch schieben. Weiter oben sah ich ein Gipfelkreuz.
„Oh ein Gipfelkreuz“
Als der Weg zu schmal und steil wurde, beschloss ich das Rad abzulegen und den Rest zu Fuß bis zum Gipfel zu laufen. Nur hatte ich kein Schloss dabei. Auch wenn hier fast niemand mehr war, wollte ich das Rad ungern einfach so liegen lassen. Also behalf ich mich dem Steckachsentrick. Ich schraubte also meine vordere Steckachse raus und nahm sie mit. So kann zumindest niemand mit dem Rad runter fahren.

170hm später stand ich auf dem Monte Scorluzzo auf 3094m. Die extra 336hm von der Passhöhe waren nicht eingeplant. Aber es sowas von wert.


Oben traf ich ein Pärchen aus Rosenheim. Er ist ein richtiger Hardcore Biker. Heute war auch der Ötztal Radmarathon, den ist er letztes Jahr mitgefahren. Ich meinte, dass der ja schon auch hart ist mit seinen 230km und 5.500hm. Er meinte ja, da musst man schon fit sein, aber für ihn kein Problem er fährt ca. 30.000km im Jahr. Letztes Jahr hatte er bis zum Zeitpunkt des Ötzi schon 20.000km gefahren. Im weiteren Gespräch erwähnte er, dass er so 2-3x im Jahr Alpenüberquerungen an einem Tag macht. Von Rosenheim nach Venedig z.B.. Was treffe ich heute für verrückte Leute?

Jetzt gings runter. Am Fahrrad noch etwas gesnackt, mich warm eingepackt und runter gings. Ein paar kurze Fotostopps gabs noch.


Livigno ich komme
Am Bus nur zusammengepackt und einen „Camping“platz in Livigno raus gesucht. Scheinbar gibt’s hier nur noch so Wohnmobil-Abstellplätze. Egal, Hauptsache Dusche.
Auf der Fahrt ging dann die Dieselpartikelfilter-Warnlampe an… Scheinbar hat der Bus den Pass gestern doch nicht so gut vertragen. Aber vermutlich fährt sich das wieder raus, wenn man mal länger mit höherer Drehzahl fährt, damit der Partikelfilter mal ordentlich heiß wird. Ich habe also gelernt, dass eine niedrigtourige, sparsame Fahrweise nicht immer gut ist^^
Ich wusste nicht, dass Duschen so stressig sein kann
Abenteuerlich war dann das Duschen. Im Waschraum hängt ein Bezahlkasten an der Wand.
Anleitung: 50ct für 2,5 Minuten und 1€ für 5 Minuten Duschen. Geld einwerfen, Nummer der Duschkabine auswählen. Mit dem Grünen Knopf lässt sich das Wasser 2mal für 30 Sekunden stoppen.

Ich warf also mal 1€ ein, warum nicht mal länger duschen, und drückte die 2. Klick. Wasserrauschen. Moment?! Das Wasser läuft sofort? Nicht erst, wenn ich das erste Mal den grünen Knopf drücke? Shit. Ich hab doch noch alle Klamotten an und muss meine Wunde an der Hüfte noch abkleben, damit die Wundauflage nicht nass wird. Das schaffe ich nie in 5 Minuten.

Ich begann trotzdem mich schnell auszuziehen. Das Wasser lief. Es gab eine Restzeitanzeige, ich konnte also abschätzen, ob ich mir die Zeit noch reicht oder ich Geld nachwerfen muss. Dann die nächste Feststellung: Ich habe mein Handtuch im Bus vergessen. Das Wasser lief. Naja, dann kann ich das vergessen. Schnell wieder eine Hose angezogen und zum Bus geflitzt. Ausgezogen, Wunde abgeklebt. Das Wasser lief. Restzeit 30 Sekunden. Naja, das reicht mir nicht mehr. Also nochmal 50ct eingeworfen und in 2,5 Minuten normal geduscht. Natürlich währenddessen 2x im dunkeln gestanden, weil das Licht nur über einen Bewegungsmelder geht, welcher einen nicht erfasst, wenn man in der Dusche steht. Man kann übrigens auch die Temperatur nicht ändern. Es gibt einfach warmes Wasser. Punkt. Morgen Abend bin ich besser vorbereitet 😉